1. Weltkrieg

 

Von ‘Liller Kriegszeitung - Eine Auslese aus Nummer 1-40' Seite 89

 

'Patrouillenritte and Patrouillenreiter'

 

 

Aus der Liller Kriegszeitung

 

 

 

 

 

 

In den Tagen des Durchmarsches durch Belgien wurden von den einzelnen Schwadronen der Divisions-Kavallerie täglich mehrere Patrouillen ausgesandt, die fast ausnahmslos Fühlung mit dem Feinde nahmen.
Die erste Patrouille der 6. Eskadron 2. Garde-Ulanen-Regiments, bei der es zur Attacke und zum Handgemenge mit einer feindlichen Patrouille kam, wurde am 19. August vom Leutnant Graf v. Kanitz mit acht Mann geritten.
Die Patrouille hatte den Auftrag, vor der Spitze der marschierenden Truppen nach Noville s. M. und Mehaigne aufzuklären. Zwei dieser Ulanen kehrten nur zurück; einer von diesen schildert die Patrouille anschaulich folgendermassen:

„In Noville trafen wir auf Leutnant Graf Strachwitz mit einer Patrouille von fünfzehn Mann, und wir blieben ungefähr zehn Minuten zusammen. Dann sagte Graf Strachwitz, er wolle links herum aufklären, wir sollten rechts weg reiten; dann trennten wir uns. Wie wir zehn Minuten fort waren, sahen wir eine schwarze Staubwolke aus Mehaigne, das schon hinter uns lag. Graf v. Kanitz guckte durchs Fernglas und sagte: „Das ist ja keine Schwadron, sondern nur ein Zug französischer Dragoner. Jungens, drauf!" Also Hurra und da ging's los. Die Feinde marschierten auch gegen uns auf, aber sie waren nicht in solcher Karriere, wie wir drin waren. Es kam zum Handgemenge, ich stach einen herunter und bekam durch den starken Anprall meine Lanze nicht heraus; während ich an ihr zog, sprang ein französischer Dragoner neben mich und wollte mir den Kopf spalten. Das war ein Gefühl für mich! Und in dem Augenblick, wo er zuschlagen wollte, da hatte ihn unser Graf schon heruntergehauen. Ich ergriff noch schnell seinen Säbel. Dann kam unser Graf ins Gedränge; fünf bis sechs Mann waren im Kreise um ihn herum und stachen gegen ihn; er wehrte sich mit dem Säbel und rief, wir sollten ihm beistehen. Der Gefreite Mueller und ich, einer links rum und einer rechts rum, wir hieben die Kerls im Kreise runter, ich mit dem aufgegriffenen Degen, während der lange Mueller ohne Waffen 'ransprang und die Kerls mit der Faust 'runterriss. Bei diesem Kampfe fielen zwei von unseren Kameraden, Ponndorf und Hinke. Die letzten vier Franzosen rückten aus und galoppierten auf Mehaigne drauf los; die Waffen, Degen, Lanze und Karabiner, hatten sie alle weggeschmissen. Wir jagten hinter ihnen drein und kamen hinter dem Dorf über einen Bahndamm, wo das Pferd vom Gefreiten Ewes stürzte. Ewes erhielt einen Kopfschuss, da wir aus dem Dorf von Zivilisten beschossen wurden. Da kommandierte der Graf kurz kehrt, und wir jagten, da die Felder durch Verhaue gesperrt waren, auf der Strasse durch die drei Dörfer durch. Wie wir in das letzte Dorf 'reinkamen, stand da ein Bauer mit einer Heugabel, und wollte uns auflaufen lassen. Da schoss der Graf seine letzte Kugel aus dem Revolver ab. Nun lief der Bauer davon und jagte in eine Scheune 'rein, wie ein Verrückter.“

 

Diese Schilderung stammt von dem Ulan Kressin, dessen Vater 19 Jahre lang beim Dragoner-Regiment v. Bredow, 1. Schlesisches Nr. 4, als Wachtmeister gedient hat, und der jetzt Polizeikommissar in Lüben in Schlesien ist. Der Ulan selbst ist Rekrut und hat für diese Tat das Eiserne Kreuz 2. Klasse erhalten.

Wenige Tage später, am 23. August, erhielt die Eskadron während des Marsches folgenden Auftrag:

„Es sollen von den am gestrigen Abend zurückgegangenen Franzosen in Vitrival eine Anzahl besonders gute Pferde stehengeblieben sein. Die 5. Eskadron 2. Garde- Ulanen hat dort hinzugehen, möglichst viel Pferde zu requirieren und dem Regiment nachzuführen.“

 

Der Divisionskommandeur und andere Offiziere hofften in den Besitz guter Vollblüter zu gelangen. Die Eskadron begab sich mit allen nötigen Vorsichtsmassregeln bis vor das Dorf. Die ungraden Nummern sassen zum Gefecht zu Fuss ab und sicherten, den Karabiner schussbereit, den Anmarsch. Zwei Züge begaben sich zu Fuss ins Dorf, während die anderen beiden Züge zur Deckung bei den Handpferden blieben.
Der erste Zivilist, der aufgegriffen wurde, diente als Führer und als Geisel gegen Überraschungen. Die letzten Rothosen verschwanden bei unserer Ankunft in den Büschen am oberen Dorfrand und liessen sich nicht wieder blicken.
In einer als Lazarett eingerichteten Schule lagen verwundete Franzosen, ihre Tornister und Waffen vor dem Hause in hohen Haufen auf der Strasse. Das ganze Dorf schien zuerst verödet; dann aber entdeckten wir verschiedene Wagenpferde, die auf der Strasse an den Laternen angebunden waren.
Die Franzosen hatten bei ihrer eiligen Flucht keine Zeit gefunden, diese Pferde mitzuführen.
Sechs der besten wurden ausgesucht und mitgenommen. Die Hoffnung auf Vollblüter musste aufgegeben werden, für diesen Ausfall aber entschädigte der nächste Fund am Ausgang des Dorfes.
Die Franzosen hatten mehrere Bagagewagen dort zurückgelassen, gefüllt mit Offiziersgepäck, Tornistern, Briefen. Am wertvollsten für uns war ein Wagen voll guter französischer Büchsengemüse.

Dass die zur Bedeckung der Handpferde zurückgelassenen Mannschaften beim Durchsuchen der Gehöfte inzwischen zwei französische Turkos gefangen nahmen, sei nur nebenbei erwähnt.

An demselben Abend wurde bei Fosse ein Biwak bezogen, das nicht nur den beteiligten Soldaten, sondern auch den Pferden unvergesslich bleiben wird.
Des Nachts, als alles, ausser der Wache, im friedlichen Schlummer lag, ertönt plötzlich ein Schnaufen und Dröhnen. Die ruhigen, ermüdeten Pferde werden unruhig, scharren, zerren an den Stricken, plötzlich ein lautes brünstiges Wiehern, ein belgischer Hengst, ein stattliches Tier, will allein den Kampf gegen 160 brave deutsche Armeepferde aufnehmen.
Im Nu ist alles auf den Beinen; jeder sucht nach einem Knüppel, einer Peitsche, oder versucht durch Lärm den aufgeregten Hengst zu vertreiben. Es gelang erst mit Hilfe mehrerer blind abgefeuerter Revolverschüsse, ihn zu verscheuchen.
Bei Tagesgrauen erschien der Hengst wieder auf der Bildfläche und konnte nur so unschädlich gemacht werden, dass er ergriffen und mit Stacheldraht in den Koppeln angebunden wurde.
Frhr. Schlotheim.

 

 

 

 

 

 

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